Zulassungsentziehung und strafrechtliche Verurteilung wegen Betrugs/Honorarkürzungen
08.07.2020
Der Fall: Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klage eines Allgemeinarztes ist der Bescheid des Beklagten Berufungsausschusses aus der Sitzung vom 28.06.2018, mit dem der Entzug der Zulassung bestätigt wurde. Der Kläger ist Allgemeinarzt in A-Stadt und in Gemeinschaftspraxis mit seiner Ehefrau tätig. Das Amtsgericht verurteilte den Kläger wegen gewerbsmäßigen Betrugs in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung. Die Entscheidung ist seit 16.05.2017 rechtskräftig.
In dem Urteil des Amtsgerichts wurde ausgeführt, zu beanstanden sei die Abrechnung (Zeitraum: Quartale 2/11 – 4/14) der Gebührenordnungspositionen (GOP) 35100 und 35110 für sich und die Ehefrau des Klägers. In mindestens 70 % der Fälle seien die Leistungen nur teilweise, in der Mehrzahl überhaupt nicht, erbracht worden. Durch die Täuschung habe der Kläger eine Honorarsumme von mindestens 189.658,03 € erlangt. Am auffälligsten sei das Quartal 3/11 mit 1.084 Stunden Nettoarbeitszeit (= 83,4 Stunden / Woche). Ab dem Quartal 3/11 seien die Leistungen nach der GOP 35100 beim Kläger erheblich angestiegen. Nur der Kläger, nicht dessen Ehefrau, besitze die Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung der psychosomatischen Grundversorgung.
In den Quartalen 3/11, 4/11, 1/13 und 2/13 fanden Wirtschaftlichkeitsprüfungen statt. Zum Teil wurde eine schriftliche Beratung, zum Teil eine Kürzung ausgesprochen. Die Kürzungssumme betrug 10.711,82 €. Alle hier-zu ergangenen Bescheide wurden bestandskräftig. In den Quartalen 3/11 – 2/13 fand eine Plausibilitätsprüfung statt, die zu einer Kürzung von 168.472,720 € führte. Auch die-se Plausibilitätsprüfung wurde bestandskräftig. Ferner kam es zu weiteren Rückforderungen durch Kassenärztliche Vereinigung (KV).
Ab dem Quartal 4/14 war ein Rückgang der Leistungen nach den GOP 35110 festzustellen, bei gleichzeitigem Anstieg der Leistungen nach der GOP 01435 und 01436. Dies führte zu einer Rückforderung in Höhe von 6.338,08 €.
Der Zulassungsausschuss vertrat die Auffassung, dass das erforderliche Vertrauensverhältnis wesentlich gestört sei. Die peinlich genaue Abrechnung gehöre zu den Grundpflichten jedes Vertragsarztes. Zu beachten sei, dass Ultima-Ratio-Prinzip. Deshalb seien Überlegungen angestellt worden, ob nicht die Durchführung eines Disziplinarverfahrens ausreiche. Im Hinblick auf wiederholte massive Pflichtverletzungen wurde aber vom Zulassungsausschuss die Auffassung vertreten, dass eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt nicht mehr zumutbar sei.
Das Ergebnis: Das Sozialgericht München (SG) entschied, dass im Rahmen der Prüfung, ob ein Entzug der vertragsärztlichen Zulassung nach § 95 Abs. 6 SGB V i.V.m. § 27 Ärzte-ZV auszusprechen ist, die Zulassungsgremien sich auf rechtskräftige Strafurteile, Strafbefehle, auch auf bestandskräftige Entscheidungen der Kassen-ärztlichen Vereinigung und der Wirtschaftlichkeitsgremien beziehen können, ohne selbst eigene Ermittlungen zur Frage, ob grobe Pflichtverstöße vorliegen, anstellen zu müssen.
Nach Aufgabe der sog. „Wohlverhaltensrechtsprechung“ durch das Bundessozialgericht (BSG vom 17.10.2012, Az.: B 6 KA 49/11 R; BSG, Beschluss vom 22.03.2016, Az.: 6 KA 69/15 B) ist für die Berücksichtigung von Wohlverhalten bei der Entscheidung über den Entzug der vertragsärztlichen Zulassung kein Raum. Unabhängig davon ist auch eine überobligatorische Schadensregulierung nicht als Wohlverhalten zu werten.