Aktuelles zur Spruchpraxis des Zulassungsausschusses zur Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens
21.09.2016
Mittlerweile durften wir die ersten Verfahren zur Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens nach dem Versorgungsstärkungsgesetz betreuen. Nach neuer Rechtslage soll der Zulassungsausschuss den Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens ablehnen, wenn in der betreffenden Fachgruppe ein Versorgungsgrad von über 140 % vorliegt, mit der Folge, dass die Kassenärztliche Vereinigung die Praxis aufkaufen soll.
Praxisabgeber von einzugsgefährdeten Praxen werden dann kurz nach Beantragung des Nachbesetzungsverfahrens aufgefordert, schriftlich zu begründen, warum die eigene abzugebende Praxis nachbesetzungswürdig sei. Diese Begründungsfrist ist meist recht knapp bemessen.
Wie Ihnen bereits bekannt ist, gibt es auch einige Ausnahmetatbestände, bei denen das Nachbesetzungsverfahren stets genehmigt wird (z. B. Praxisweitergabe an Familienangehörige oder langjährig angestellte Ärzte / job-sharing-Partner / Mitgesellschafter).
Auch darüber hinaus lohnt es sich, für eine Fortführung des Vertragsarztsitzes am Praxisstandort zu argumentieren. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass man Besonderheiten des Praxisumfeldes und der Praxis als solcher den entscheidenden Gremien detailliert und gut nachvollziehbar ins Bewusstsein ruft. So ist die Versorgungslage selbst innerhalb eines Berliner Verwaltungsbezirkes häufig stark unterschiedlich: Wedding gehört formal zu Mitte, ist aber von der Bevölkerungsstruktur und der Arztzahl komplett anders ausgestattet als Mitte-Mitte. So kann für den Fortbestand Ihrer Praxis sprechen, dass Ihre Scheinzahl höher als der Fachgruppendurchschnitt und in Ihrer unmittelbaren Umgebung kein fachgruppengleicher Arzt angesiedelt ist bzw. auch dieser mit seiner Praxis am Limit Patienten versorgt.
Von Bedeutung kann auch sein, wenn Praxen der Umgebung bereits verlegt wurden oder nicht mehr in der Lage wären (z. B. wegen des Alters des Praxisinhabers), die Patienten der auszuschreibenden Praxis zusätzlich mitzuversorgen.
Sowohl die Kassenärztliche Vereinigung Berlin, als auch der Zulassungsausschuss berücksichtigen individuelle Besonderheiten einer Praxis, die den Fortbestand der Praxis rechtfertigen, in ihrem Votum. Nach unseren bisherigen Erfahrungen sprachen sich diese Gremien bisher stets für eine Nachbesetzung aus, wenn der Versorgungsgrad „in dem gegenständlichen Bezirk unter dem des Planungsbezirks Berlin lag“ und es sich „um eine weit überdurchschnittlich ausgelastete Praxis“ handelte.
Besondere Vorsicht sollte bei einer Ausschreibung noch walten, wenn der Versorgungsgrad des eigenen Bezirks gar höher ist, als der von Gesamtberlin. In solchen Fällen bietet sich vermutlich nur noch die Fortführung der Praxis in einem geringer versorgten Bezirk an. Oder job-sharing-Modelle sollten in Erwägung gezogen werden.
Trotz der Unwägbarkeiten des Verfahrens, konnten unsere Mandanten bei rechtzeitiger Planung und ausreichender Argumentation bisher beruhigt in die Sitzung des Zulassungsausschusses gehen, in der über die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens entschieden wurde.
Eine böse Überraschung mussten wir bisher nicht erleiden.
Als erstes Fazit zum Versorgungsstärkungsgesetz lässt sich festhalten, dass die Kassenärztliche Vereinigung und auch der Zulassungsausschuss bisher, wenn es möglich war, sich immer für eine Weiterführung der Praxis entschieden haben. Nichts desto trotz besteht die Gefahr der Einziehung der Zulassung auch weiterhin und eine rechtzeitige auch fachlich fundiert begleitete Planung der Praxisübergabe ist nach wie vor von Nöten.