Änderungen im Versorgungsstärkungsgesetz
29.10.2015
Die gesetzlichen Änderungen durch das Versorgungsstärkungsgesetz, insbesondere die geplante Reduzierung von Vertragsarztsitzen in überversorgten Gebieten, war bereits in den letzten Monaten Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Nunmehr sind die ersten Fälle bekannt geworden, in denen der Zulassungsausschuss für Ärzte offenbar die Ablehnung der Ausschreibung und einen möglichen Entzug der Zulassung (gegen Verkehrswertentschädigung) vorbereitet.
In uns vorliegenden Schreiben des Zulassungsausschusses an Ärzte, die eine Ausschreibung beantragt hatten, wird die neue gesetzliche Vorschrift des § 103 Abs. 3 a SGB V zitiert und betont, dass ab einem Versorgungsgrad von 140 % ein Nachbesetzungsverfahren „nur noch unter bestimmten und eng gesetzten Voraussetzungen genehmigt werden kann“.
Dabei wird interessanterweise auf den Versorgungsgrad des Planungsbereichs (Gesamt‑)Berlin Bezug genommen, also nicht etwa auf stärker oder schwächer versorgte Verwaltungsbezirke. Dies ist insofern erstaunlich, weil man bisher davon ausgehen konnte, dass zumindest Ausschreibungen z. B. in Neukölln oder Marzahn-Hellersdorf zukünftig problemlos möglich sein würden. Einen weiteren bitteren Beigeschmack erhält die Angelegenheit dadurch, dass KV-Vertreter vor kurzem noch beruhigten, dass in den ersten Monaten ab Inkrafttreten des Gesetzes keine Entzugsverfahren drohen würden.
Die Schreiben des Zulassungsausschusses zeigen aber gleichzeitig einen Weg auf, wie der drohende „Zulassungsentzug“ noch vermieden werden kann, denn die betroffenen Ärzte und Psychotherapeuten wurden aufgefordert, Gründe darzulegen, die für eine Nachbesetzung sprechen, bzw. einen Nachfolger zu benennen, der die Praxis an einem anderen Standort, in einem anderen Bezirk „mit geringerer Arztdichte“ fortführen könnte.
Wie diese Verfahren ausgehen und welche Gründe (z. B. Auswirkungen der sozialen Lage auf den Bedarf der ärztlichen Versorgung oder Praxisbesonderheiten) beim Zulassungsausschuss Gehör finden, ist noch völlig offen.
Die Entschädigung in Höhe des Verkehrswertes durch die Kassenärztliche Vereinigung sollte jedenfalls nur das letzte Mittel sein, um den Totalverlust Ihrer Praxis zu vermeiden, zumal davon auszugehen ist, dass die für die Wertermittlung maßgeblichen Gutachten zukünftig eher zu niedrig als zu hoch angesetzt werden. Bei einer psychotherapeutischen Praxis (ggf. auch ärztliche Psychotherapie) vertritt die KV seit Jahren sogar die Meinung, dass deren Verkehrswert mit „Null“ anzusetzen ist.
Wer das entsprechende Schreiben vom Zulassungsausschuss im Rahmen seiner beantragten Ausschreibung erhalten hat, sollte sich jedenfalls um rechtlichen Beistand und eine eingehende Beratung kümmern. Wir bitten Sie, in diesem Fall umgehend das Gespräch mit uns zu suchen.
Ebenfalls sollte zur Zeit eine übereilte Ausschreibung vermieden werden, denn mit einer mittelfristigen Planung (z. B. Weitergabe der Zulassung an einen bisher angestellten Arzt oder Praxispartner) wird eine Ausschreibung und ein Verkauf der Praxis auch weiterhin möglich sein. Im Notfall sollte auch das Verzichtsmodell zugunsten einer Anstellung im Auge behalten werden. Wir stehen Ihnen für eine umfassende Abgabeberatung gerne zur Seite.
Es zeigt sich, insbesondere vor dem Hintergrund des neuen Gesetzes, dass die Praxisabgabe kein leichtes Unterfangen mehr ist. Langfristige Planung und die Suche eines Nachfolgers, der am besten schon längere Zeit in der Praxis arbeitet, werden zukünftig vonnöten sein.
Wir würden Ihnen daher empfehlen, uns rechtzeitig mitzuteilen, wann Sie beabsichtigen, Ihre Praxis abzugeben, damit wir gemeinsam tragfähige Strategien entwickeln, die vor dem Zulassungsausschuss Bestand haben.